Stephen Hawking: Meine kurze Geschichte

Hawking Meine kurze Geschichte

Rowohlt

Stephen Hawking ist einer der berühmtesten Physiker unserer Zeit. Dies ist zum einen seinen bahnbrechenden Erkenntnissen auf dem Gebiet der Kosmologie zu verdanken, zum anderen den zahlreichen populärwissenschaftlichen Bestsellern, die er im Laufe seines Lebens verfasst hat.

In seinem neuen Buch Meine kurze Geschichte bietet Hawking einen Überblick über die Etappen seines Lebens und wissenschaftlichen Schaffens: 1942 in Oxford geboren, aufgewachsen in einem intellektuellen, eher unkonventionellen Elternhaus mit 2 jüngeren Schwestern und einem Adoptivbruder. Studium der Chemie und Mathematik in Oxford, Physik-Doktorand in Cambridge, zwei gescheiterte Ehen, drei Kinder, Inhaber des Lucasischen Lehrstuhls, etliche wissenschaftliche Preise.

Bereits mit etwa 20 Jahren litt Stephen Hawking an der degenerativen Nervenkrankheit ALS, was sich zunächst in Stürzen und ungeschicktem Verhalten äußerte. Bald erhielt er die Diagnose, dass die Krankheit unheilbar sei und er nur noch mit einer kurzen Lebensdauer zu rechnen habe. Seine bis dahin eher laxe Einstellung zum Studium änderte sich daraufhin. Er verlobte sich und trieb seine Promotion voran, konzentrierte seine Energie auf die Forschung, ohne zu wissen, wie viel Zeit ihm noch bleiben würde.

Die schwere Krankheit ist dafür verantwortlich, dass Hawking seit vielen Jahren an einen Rollstuhl gebunden ist und sich inzwischen nur noch mittels eines Sprachcomputers verständigen kann. Was der allmähliche Verlust der Sprache für ihn bedeutete, kann man nur vermuten. Dafür erfahren wir einiges über die technischen Spezifikationen seiner verschiedenen Sprachcomputer. Mittlerweile identifiziert er sich mit seiner künstlichen Stimme. Eine verständliche Sprache ist für Hawking sehr wichtig, um Respekt und Anerkennung zu erhalten:

Spricht man nämlich undeutlich, behandeln einen viele Leute, als sei man geistig behindert.

Trotz seiner Krankheit ist Hawking viel gereist, hat Vorträge gehalten und die Wissenschaft vorangebracht. Er hatte ein erfülltes Privatleben, das aber immer wieder von lebensbedrohlichen Situationen überschattet war. Die zunehmende Belastung durch die Krankheit, das Angewiesensein auf die Hilfe anderer, die Ängste und Probleme, die mit seiner Krankheit und Behinderung verbunden sind, stehen eher zwischen den Zeilen. Wir können sie anhand der trockenen, distanzierten Schilderungen nur erahnen. Mehrmals retteten ihm seine beiden Ehefrauen das Leben. Aber die Beziehungen haben darunter gelitten und die Ehen scheiterten.

Spannend wird dieses Büchlein vor allem dann, wenn es um wissenschaftliche Aspekte geht. Hawking war, bedingt durch seine Muskelschwäche, niemals ein guter Experimentator, dafür ist er aber ein brillanter Theoretiker. Bereits in seiner Dissertation hat er sich mit dem Urknall und dem expandierenden Universum beschäftigt. Wissenschaftliche Debatten um die Gültigkeit der Allgemeinen Relativitätstheorie bei Schwarzen Löchern, Gravitationswellen oder die Möglichkeit von Zeitreisen folgten und gipfelten oft in absurden Wetten mit Kollegen. Neben seiner wissenschaftlichen Forschung begann Hawking 1988 mit dem Schreiben populärwissenschaftlicher Bücher. Bereits das erste Buch Eine kurze Geschichte der Zeit wurde ein Welterfolg. Seine Motivation:

Es ist mir wichtig, dass die Menschen ein Grundverständnis von den Naturwissenschaften haben, damit sie in einer immer mehr von Wissenschaft und Technik bestimmten Welt sachkundige Entscheidungen treffen können.

Immer wieder hat er sich mit der Frage nach dem Ursprung des Universums auseinandergesetzt. Wie alles entstanden ist und wie weit die Forschung vorangekommen ist, kann man besonders gut in seinem wunderbar illustrierten Buch Das Universum in der Nussschale nachlesen. Zusammen mit Jim Hartle entwickelte Hawking die Kein-Rand-Bedingung, die unter anderem besagt, dass unser Universum spontan aus dem Nichts heraus entstanden ist. Daraus lässt sich ableiten, dass ein Schöpfer oder Gott des Universums nicht notwendig ist. Ausführlich wird dieser Aspekt in dem zusammen mit Leonard Mlodinow verfassten Buch Der große Entwurf behandelt.

Mit seinem neuesten Buch legt Stephen Hawking eine Entwicklungsgeschichte seiner Theorien über das Universum vor. Er erzählt von Auseinandersetzungen zwischen Theoretikern und experimentellen Forschern, den vielen noch unbewiesenen Ideen und der unermüdlichen Suche nach Antworten über die Beschaffenheit unseres Universums. Für die Autobiografie eines 72-jährigen Physikers von Weltrang ist mir dieser Band mit etwa 160 Seiten etwas zu kurz geraten. Die persönlichen Beschreibungen bleiben eher nüchtern, denn es geht ihm nicht darum, die Neugier des Publikums zu befriedigen. Dafür gibt es zahlreiche Fotografien aus allen Lebensphasen. Hawking schafft es, Menschen Mut zu machen, die ein schweres Schicksal zu ertragen haben. Sein Lebensmut und seine Lebensleistung sind bewundernswert.

Ich hatte ein gutes und erfülltes Leben. Meiner Meinung nach sollten sich behinderte Menschen auf die Dinge konzentrieren, die ihnen möglich sind, statt solchen hinterherzutrauern, die ihnen nicht möglich sind.

Diese Haltung, zusammen mit einer Prise Selbstironie und Humor, hat es ihm ermöglicht, viele Dinge zu verwirklichen, die für einen Menschen in seiner Lage unmöglich schienen. Seine kompliziertesten Konzepte werden hier leider nur angerissen. Um sie zu verstehen, gibt es zum Glück seine populärwissenschaftlichen Bücher, die ich jedem an Astronomie und Physik interessierten Leser nur ans Herz legen kann.

Stephen Hawking: Meine kurze GeschichteHawking-Bücher
Aus dem Englischen von Hainer Kober
Rowohlt Verlag 2013
ISBN 978-3-498-03025-4

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6 Kommentare

  1. ein hochinteressanter Mensch, mit dem ich mich ehrlich gesagt noch nie wirklich beschäftigt habe (Ignoranten-Ich). Wird vielleicht Zeit. Auf jeden Fall gefällt mir besonders das Zitat am Ende. Das spricht mir aus der Seele und ich bemühe mich jeden Tag, mich dran zu halten.
    Liebe Grüße, Kai

    • Ja, das ist wirklich ein tolles Zitat, das man eigentlich auf jeden Menschen übertragen kann: sich auf das konzentrieren, was einem möglich ist. Aber es ist sicher leichter gesagt als getan, wenn man schwere Zeiten durchstehen muss. Hawking ist jedenfalls ein gutes Vorbild :-)
      Liebe Grüße,
      Petra

  2. Es ist schwer, nicht den Dingen hinterherzutrauern, die nicht mehr möglich sind. Aber hat man einmal seine übriggebliebenden Möglichkeiten entdeckt, ist es genial. Vor allem, weil man sich viel mehr Zeit für das, was man noch kann, nimmt und es so viel bsser machen kann.
    Liebe Grüße und einen schönen Nikolaustag von Susanne

  3. Das ist wirklich eine gute Einstellung, liebe Susanne! Ich denke, die muss man sich immer wieder aufs neue erarbeiten.
    Dir wünsche ich auch alles Gute zum Nikolaus!

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